Grundsätzliche Fragen um Leben und Tod

Entscheidung zur Anwendung der Präimplantationsdiagnostik (PID) in Deutschland

Foto Mikroskopieren / © Martin Gapa / pixelio.de In dieser Woche beschäftigte sich der Deutsche Bundestag mit einer schwierigen bioethischen Fragestellung. In einer über zweieinhalbstündigen Debatte ging es um den künftigen Umgang mit der Präimplantationsdiagnostik (PID). Eine Neuregelung zu dem umstrittenen Verfahren, bei dem im Reagenzglas erzeugte Embryonen vor der Einpflanzung in den Mutterleib auf etwaige Krankheiten untersucht und eventuell verworfen werden, ist nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom Juli 2010 notwendig geworden. Das Gericht hatte entschieden, dass die PID nach dem 1991 in Kraft getretenen Embryonenschutzgesetz nicht verboten ist, sie aber nur bei schwerwiegenden genetischen Schäden für zulässig erklärt. Eine eindeutige gesetzgeberische Grundentscheidung, ob und inwieweit die PID in Deutschland Anwendung finden soll, steht jedoch nach diesem Urteil noch aus.

Der Debatte über diese Grundentscheidung, die an diesem Donnerstag in erster Lesung im Deutschen Bundestag ihren Anfang nahm, liegen drei als Gruppenanträge eingebrachte Gesetzentwürfe zur PID zugrunde, die von einem strikten Verbot bis zu einer eingeschränkten Zulassung der Methode reichen. Mehr als zwei Drittel der Mitglieder des Deutschen Bundestages haben bislang für je einen der drei Gesetzentwürfe ihre Unterstützung erklärt. Die nun begonnene Debatte wird denen, die noch keine Entscheidung getroffen haben, sowie der Öffentlichkeit eine umfassende Sicht auf die ethischen und gesellschaftspolitischen, medizinischen und rechtlichen Aspekte der PID ermöglichen.

Wie sehen die drei Gesetzentwürfe im Einzelnen aus: Der Gesetzentwurf zum Verbot der PID sieht ein umfassendes gesetzliches Verbot der Durchführung der PID an menschlichen Embryonen vor. Im Antragstext heißt es: „Die Anwendung der PID gefährdet die Akzeptanz gesellschaftlicher Vielfalt und erhöht den sozialen Druck auf Eltern, ein gesundes Kind haben zu müssen. Dem liegt der Anspruch zugrunde, zwischen lebenswertem und -unwertem Leben unterscheiden zu können. Die Werteordnung des Grundgesetzes bestimmt ausdrücklich, dass jeder Mensch den gleichen Anspruch auf Würde und die gleichen und unveräußerlichen Rechte auf Teilhabe besitzt. Dieses Wertegefüge würde durch die Zulassung der PID nachhaltig beschädigt werden. Aus ethischen und gesellschaftspolitischen Gründen ist die PID daher abzulehnen.“ Der Gesetzentwurf zur Regelung der PID tritt für eine Zulassung der PID ein, wenn aufgrund der genetischen Disposition der Eltern für deren Nachkommen eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine schwerwiegende Erbkrankheit besteht oder die PID zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos vorgenommen wird, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen würde. Die Anhänger dieses Antrages argumentieren mit dem Gerichtsurteil vom 6. Juli 2010: „Mit seinem Urteil hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass die PID zur Entdeckung schwerer genetischer Schäden des künstlich erzeugten Embryos nach geltendem Recht unter bestimmten Voraussetzungen straffrei ist. Dabei hat der Bundesgerichtshof darauf hingewiesen, dass es widersprüchlich wäre, einerseits die belastenden Schwangerschaftsabbrüche nach § 218 a Abs. 2 StGB straffrei zu lassen und andererseits die PID, die auf einem weitaus weniger belastenden Weg dasselbe Ziel verfolgt, bei Strafe zu untersagen.“ Der Gesetzentwurf zur begrenzten Zulassung der PID sieht eine Zulassung der PID vor, wenn bei den Eltern eine genetische Disposition diagnostiziert wird, die mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Schädigung des Embryos zur Folge hat, die zur Tot- oder Fehlgeburt oder zum Tod im ersten Lebensjahr führen kann. Zudem muss vor der Diagnostik eine Beratung angeboten werden.

Da alle drei Anträge in der Bundestagsdebatte von Abgeordneten aller Fraktionen mitgetragen wurden, galt die sonst übliche Fraktionsdisziplin bei dieser bioethischen Fragestellung nicht.

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