Bundestag erörtert Steuervorschläge der Linksfraktion: Rede von Olav Gutting MdB

Die Steuerpolitik stand am Donnerstag, 7. Oktober 2010, ab 10.40 Uhr für 90 Minuten im Mittelpunkt der Diskussion im Deutschen Bundestag.

Grundlage der Debatte war die erste Lesung eines Antrags der Linksfraktion (17/2944) mit der Forderung, die "steuerpolitische Gerechtigkeit und Handlungsfähigkeit des Staates wiederherzustellen". Dafür sieht der Antrag ein ganzes Bündel an Maßnahmen vor. So soll nach Ansicht der Fraktion die Vermögensteuer als "Millionärssteuer" wieder eingeführt werden, die oberhalb eines Freibetrages von einer Million Euro fünf Prozent betragen soll. Olav Gutting MdB nahm hierzu für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wie folgt Stellung:

Olav Gutting (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!:

Die Fraktion Die Linke fordert als Ausweg aus der Krise, wie wir gerade gehört haben, zwölf steuerpolitische Maßnahmen, darunter vor allem Steuererhöhungen
(Zuruf von der LINKEN: Ja, selbstverständlich!)

die Abschaffung des Ehegattensplittings, die Erhöhung der Körperschaftsteuer um 60 Prozent, ganz allgemein die Besteuerung von Extraprofiten, die Einführung einer Kerosin- und einer Schiffsbenzinsteuer, eine Erhöhung der Erbschaftsteuer,
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

eine Boni-Steuer in Höhe von 50 Prozent, die Erhebung der Vermögensteuer und nicht zuletzt die Anhebung des Spitzensteuersatzes in der Einkommensteuer.
(Beifall bei der LINKEN)

Offensichtlich ist es das Allheilmittel der Linken gegen alles, den Menschen in diesem Land immer mehr Geld aus der Tasche zu ziehen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Nun muss man kein Wirtschaftswissenschaftler sein, um zu erkennen, dass die von Ihnen jetzt in der Phase des Aufschwunges geplanten massiven Steuererhöhungen den Aufschwung beenden würden. Sie beklagen in Ihrem Antrag die Steuersenkungen der letzten Jahre. Sie sprechen gar von „Steuerdumping“ in unserem Land. Sie haben vorhin die Hartz IV-Empfänger angesprochen. Haben Sie schon einmal die Menschen, die in diesem Land Steuern zahlen, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Unternehmer, die den Karren ziehen, gefragt, ob sie das Gefühl haben, in einem Niedrigsteuerland zu leben?
(Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Im Vergleich zu den vorhergehenden Jahren ja!)

Die jährlichen Steuereinnahmen sind in den letzten fünf Jahren um 72 Milliarden Euro gestiegen. Das sind 72 Milliarden Euro Mehreinnahmen.
(Nicolette Kressl (SPD): Aber die Steuerquote ist gesunken!)

Schauen wir uns einmal die Steuer- und Abgabenquote an: Eine Familie in Deutschland bezahlt Abgaben und Lohnsteuern in Höhe von etwa 40 Prozent. Damit sind wir im internationalen Vergleich an dritter Stelle der Rangliste der Belastungen. Bei der Unternehmensbesteuerung, bei der Sie beklagen, dass sie zu niedrig ist, liegt Deutschland mit einer tariflichen Gesamtbelastung für Kapitalgesellschaften von knapp über 30 Prozent weltweit auf Rang acht in der Hitliste der Höchststeuerländer. Sie behaupten, Folge des angeblichen Steuerdumpings seien unsoziale Ausgabensenkungen.
(Zuruf von der LINKEN: Ja, selbstverständlich!)

Schauen wir uns doch einmal die Sozialausgaben der letzten Jahre an: Sie sind allein beim Bund von 50 Milliarden Euro im Jahr 1990 auf heute, im Jahr 2010, 173 Milliarden Euro gestiegen.

(Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Das ist die Folge wachsender Armut! Das ist doch klar! Darauf können Sie doch nicht stolz sein!)

Die Ausgaben im sozialen Bereich haben sich also mehr als verdreifacht. Die Staatsquote ist nicht etwa gesunken. Nein, sie ist auf über 50 Prozent gestiegen.

(Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Jetzt in der Krise!)

Ich frage Sie: In welcher Welt leben Sie? Wenn man den Antrag der Linken liest, dann hat man, mit Verlaub, das Gefühl, einige von Ihnen denken immer noch, um dieses Land herum wäre eine Mauer. Wachen Sie auf! Wir stehen im internationalen Wettbewerb; wir befinden uns mitten in der Globalisierung. Das gilt auch für den Bereich der Steuern.
(Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Eben!)

Man kann das beklagen. Ja, Wettbewerb ist unangenehm. Man muss sich anstrengen. Man kann nicht handeln, als wäre man auf einer einsamen Insel.
(Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Genau deshalb dürfen wir nicht so handeln!)

Die Globalisierung führt auch dazu, dass wir in der Politik manchmal Getriebene sind. Das ist nicht schön; aber es ist eine Tatsache. Da können Sie den Kopf nicht in den Sand stecken: Wir sind in eine internationale Entwicklung eingebettet, der wir uns als einzelne Nation nicht verschließen können. Wir müssen reagieren, um dieses Land im internationalen Wettbewerb vorne zu halten. Nur wenn wir in diesem internationalen Wettbewerb mithalten, können wir die Arbeitsplätze in diesem Land sichern und den breiten sozialen Wohlstand in diesem Land erhalten. Wir haben uns in der Regierung, auch in der Vorgängerregierung, angestrengt, und zwar mit Erfolg: Zu Beginn der letzten Legislaturperiode sind wir mit 5 Millionen Arbeitslosen in diesem Land gestartet; heute, fünf Jahre später, liegt die Zahl bei 3 Millionen, Tendenz weiter sinkend.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

In Baden-Württemberg haben wir sogar Vollbeschäftigung. Das ist soziale Gerechtigkeit. Wir werden international dafür bewundert, wie wir diese Krise meistern, wie wir sie bisher überstanden haben. Auch unsere Steuerpolitik hat dafür gesorgt, dass dieses Land zurzeit boomt und viele Menschen in diesem Land, nämlich 2 Millionen mehr als noch vor fünf Jahren, wieder auskömmliche Arbeit finden.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Eben nicht auskömmlich!)

Sie hinken mit Ihrem Antrag zur Überwindung dieser Krise ziemlich hinterher.
(Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Warum?)

Mittlerweile liegen die Prognosen für das Wirtschaftswachstum für das laufende Jahr bei über 3 Prozent.
(Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Nach 5 Prozent Rückgang!)

Wir haben Wachstum, es entstehen neue Arbeitsplätze, es gibt Lohnerhöhungen, und die Binnenkonjunktur zieht an. Lesen Sie die Statistiken: Die Verbraucherstimmung in unserem Land ist wieder hervorragend. Mit den Steuererhöhungsorgien, die Sie vorschlagen, machen Sie einen doppelten Salto rückwärts direkt in die Krise.
(Zuruf von der FDP: Richtig!)

Was glauben Sie denn, was passiert, wenn Sie eine fünfprozentige Abgabe auf Vermögen mit einem Wert von über 1 Million Euro einführen? Das klingt zunächst herrlich gut: Ich nehme es den Reichen und gebe es den Armen; Robin Hood lässt grüßen.
(Beifall bei der LINKEN)

Aber es gilt der Grundsatz: Sie machen die Schwachen nicht stark, indem Sie die Starken schwächen. Sie schlagen vor, eine jährliche, fünfprozentige Steuer auf Vermögen zu erheben. Wissen Sie, wie hoch die durchschnittliche Immobilienrendite ist? Wenn man ein Immobilienvermögen hat in Ihren Augen sind das die bösen Menschen , dann erzielt man eine durchschnittliche Rendite von 3,5 Prozent pro Jahr. Sie wollen nun 5 Prozent abgreifen; damit nehmen Sie den Menschen nicht nur den Gewinn, sondern Sie enteignen Sie.
(Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): Sie gehen in die Substanz!)

Ich frage mich: Wer investiert dann noch in unserem Land? Wer soll dann die Mietwohnungen bauen?
(Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): Der Staat!)

Wer soll in Mietwohnungen investieren? Sie schaden mit Ihrem Vorschlag genau denjenigen, denen Sie eigentlich helfen wollen.
(Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): Wohnungsbaugesellschaften wie in Berlin! Gegenruf der Abg. Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Die haben an der Börse spekuliert!)

Zusätzlich zur Vermögensteuer wollen Sie nun auch noch den Spitzensteuersatz erhöhen.
(Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Ja, wie bei Helmut Kohl!)

Ich frage Sie: Ist Ihnen bekannt, dass in diesem Land 10 Prozent der Bezieher der oberen Einkommen bereits mehr als die Hälfte, nämlich 55 Prozent, des gesamten Steueraufkommens schultern?
(Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Ja, weil viele andere keine Steuern mehr zahlen können, weil sie wenig verdienen! Wenn sie arm sind, können sie keine Steuern zahlen!)

Ich mag dieses Land. Ich lebe gern in Deutschland. Wie viele andere Menschen in diesem Land zahle ich klaglos meine Steuern, weil ich weiß, dass unser Land viel bietet.
(Florian Pronold (SPD): Eine wandelnde Klagemauer, was die Steuern angeht!)

Wir haben eine gute Infrastruktur, wir haben Sicherheit und gute Bildung. Wir leben in Freiheit, wir haben eine hervorragende Gesundheitsversorgung, soziale Gerechtigkeit und breiten Wohlstand. Wenn Sie die Steuerlast und die Abgabenlast immer weiter nach oben schrauben, wenn sich Leistung in diesem Land nicht mehr lohnt,
(Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Die Mehrzahl der Einkommensteuerzahler entlasten wir!)

wenn das Steuerrecht zur Enteignung pervertiert, dann sind die Grenzen in diesem Land offen. Dann werden Sie erleben, dass immer mehr Leistungsträger in unserem Land den Verlockungen anderer Gesellschaften und anderer Staaten nicht mehr widerstehen.

(Florian Pronold (SPD): Wir haben eine richtig fundamentale Debatte! Die Marktfundamentalisten sind am Mikro!)

Irgendwann gibt es einen Punkt, an dem Leistung und Gegenleistung in keinem Verhältnis mehr stehen. Die meisten Menschen sind so Sie mögen das beklagen : Sie strengen sich nicht an, wenn es sich nicht lohnt.
(Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP): In der DDR war das so!)

Das müssen Sie akzeptieren. Sie müssten das am besten wissen. Haben Sie nicht das Experiment mit Ihrem real existierenden Sozialismus gemacht? Hat Ihnen das nicht die Augen geöffnet? Menschen sind, wie sie sind. Es muss sich lohnen, dann strengt man sich an.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Iris Gleicke (SPD): Das ist ja wohl der letzte Unsinn, den Sie hier erzählen! Schnösel! Gegenruf des Abg. Florian Pronold (SPD): Schnösel ist noch viel zu nett!)

Unser Weg aus der Krise sieht anders aus. Mit den Konjunkturpaketen und dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz sowie dem Bürgerentlastungsgesetz haben wir gezeigt, wie wir dieser Krise begegnen, und zwar erfolgreich, wie man an den aktuellen Zahlen erkennen kann. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)