„Die G8 gibt es nicht mehr“

Regierungserklärung der Bundeskanzlerin zum EU-Gipfel /  Russland ist isoliert / Olav Gutting MdB informiert aus Berlin

Es ist gute Tradition, dass die Bundeskanzlerin unmittelbar vor Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs eine Regierungserklärung vor dem Deutschen Bundestag abgibt. So ist es am gestrigen Donnerstag vor dem EU-Frühjahrsgipfel, bei dem die aktuelle Lage in der Ukraine und die Beziehungen der EU zu Russland Thema sein werden, auch wieder geschehen. Bundeskanzlerin Merkel sieht Russland nach der Annexion der Schwarzmeerhalbinsel Krim zunehmend international isoliert. Angesichts des völkerrechtswidrigen Verhaltens der Regierung in Moskau erklärte sie die Zusammenarbeit im Rahmen der acht Industrienationen für beendet. „Solange das politische Umfeld für ein so wichtiges Format wie die G8 nicht mehr gegeben ist, gibt es die G8 nicht mehr“, sagte die Kanzlerin in ihrer Regierungserklärung.

Merkel erneuerte ihre Kritik an dem sogenannten Referendum auf der Krim: Es „entsprach weder der ukrainischen Verfassung noch den Standards des Völkerrechts.“ Das Ergebnis der Abstimmung werde die internationale Völkergemeinschaft nicht anerkennen. Es handele sich um eine einseitige Veränderung von Grenzen. Merkel wies darauf hin, dass eine Resolution im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, die das Referendum verurteilte, nur am russischen Veto gescheitert sei. Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union werden nach Ankündigung von Merkel die Sanktionen der Stufe II ausweiten.

Vor zwei Wochen hatte sich die Europäische Union auf einen Drei-Stufen-Plan von Strafmaßnahmen geeinigt. Sollte sich die Lage in der Ukraine verschärfen, dann werde die EU die dritte Stufe, also wirtschaftliche Sanktionen, einleiten. Dies könnte der Fall sein, sollte sich die Lage in der Ost- und Südukraine weiter destabilisieren. Ob die geplanten deutsch-russischen Konsultationen Ende April stattfinden werden, sei derzeit offen, sagte die Regierungschefin. Merkel bekräftigte, dass Deutschland und die Europäische Union die Ukraine mit konkreter Hilfe unterstützen wollen. Das Hilfsprogramm der EU müsse jetzt schnell umgesetzt werden, forderte die Kanzlerin. Sie wies darauf hin, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) derzeit ebenfalls Gespräche mit Kiew über finanzielle Hilfen führe. Der Frühjahrsgipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs konzentriert sich üblicherweise auf wirtschafts- und finanzpolitische Themen. Vor diesem Hintergrund zog Merkel eine positive Zwischenbilanz der Bemühungen, die gemeinsame europäische Währung zu stabilisieren und die Staatsschuldenkrise zu bewältigen. Wachstum und Beschäftigung sind nach den Worten der Kanzlerin der Schlüssel dafür, „um stärker aus der Krise herauszukommen als wir in sie hineingegangen sind“. Die Euro-Zone als Ganzes habe erstmals nach schweren Jahren die Rezession hinter sich gelassen. Die Europäische Kommission rechne für 2014 mit einem Wachstum von 1,2 Prozent. Der Aufschwung sei allerdings keineswegs gesichert, warnte sie. Eine weitere wirtschaftspolitische Koordinierung sei notwendig, denn eine Konzentration auf Fiskaldisziplin allein reiche nicht aus.

Mit Blick auf die gegenwärtige Situation in der Ukraine zog der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion Volker Kauder die Lehre aus den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts. „Nicht das Recht des Stärkeren, sondern das Recht muss das Starke sein in der Welt“, sagte er. Dass nun Friede herrsche, habe nichts mit Russland zu tun, sondern mit der Einigung Europas. Er sei dankbar, dass der überwiegende Teil des Bundestages, abgesehen von „ganz links“, hinter der Politik der Bundesregierung und der Europäischen Union stehe, wenn es um die Reaktionen gegenüber Moskau gehe. Kauder dankte der deutschen Wirtschaft, speziell dem BDI und dem DIHK, die sich ebenfalls hinter die Politik der Bundesregierung gestellt hatten. Wirtschaftliche Sanktionen seien unter Umständen schmerzhaft, jedoch sei nichts schmerzhafter, als Willkür ausgeliefert zu sein, hatte DIHK-Präsident Eric Schweitzer erklärt. „Europa ist eine Werte- und Schicksalsgemein-schaft und eine Friedenssicherung“, rief Kauder in Erinnerung. Diese Botschaft müsse von dem EU-Gipfel ausgehen. „Nichts wäre schlimmer, als wenn der russische Präsident Putin auch noch den Erfolg hätte, dass wir uns in Europa über Maßnahmen gegen Russland zerstritten.“