Schwetzinger Zeitung / Sommergespräch

Wie Bundestagsmitglied Olav Gutting und Landtagsabgeordneter Gerhard Stratthaus die Finanzkrise und die derzeitige Regierungsarbeit beurteilen / "Die Bürgschaft macht uns schon Sorgen"

Olav Gutting MdB und Gerhard Stratthaus MdL

Spontan hat letzte Woche CDU-Bundestagsabgeordneter Olav Gutting in der Redaktion angerufen: "Ich treff' mich mit Gerhard Stratthaus im Kaffeehaus, um über ein paar landes- und bundespolitische Dinge zu sprechen, haben Sie nicht Lust, dabei zu sein?" Es wurde eine der wenigen schönen Sommerstunden bisher. Bei Orangina und einem Gin Tonic plauderten wir mit den Finanzpolitikern über die Euro-Krise, die Rolle Deutschlands in Europa und darüber, wie die neue Landesregierung ankommt. SZ-Redakteur Jürgen Gruler hat das Gespräch für die Leserinnen und Leser der Schwetzinger Zeitung zumindest in groben Zügen aufgeschrieben.

Wie geht es denn weiter mit Europa und dem Euro? Ist das Geld der Bürger noch sicher?

Stratthaus: Eindeutig: Der Euro ist sicher! Wir haben ja derzeit keine Euro-Krise, sondern eine Staatsschuldenkrise. Dabei hat Deutschland recht solide gewirtschaftet. Und bisher gibt es ja nur Garantien, es ist ja noch kein Euro in ein anderes Land geflossen. Man sollte sich aber nichts vormachen. Es wird nicht alles Geld zurückkommen. Schon alleine, weil wir ja an der Europäischen Zentralbank mit einem guten Viertel beteiligt sind.

Gutting: Ein großes Problem sind die völlig unterschiedlichen Interessen der Euroländer in diesen Schuldenfragen. Und in Europa gilt es ja immer, Einvernehmen aller Staaten zu erzielen. Deshalb sind alle gefassten Beschlüsse letztlich nur Kompromisse aus allen Interessen.

Aber wie soll es weitergehen, wenn nun auch Volkswirtschaften wie Italien und Spanien unter den Rettungsschirm müssten? Der Schirm kann doch nicht immer noch größer werden.

Stratthaus: Man wird langfristig ein geordnetes Konkursrecht für Staaten einführen müssen. Daran werden wir nicht mehr vorbeikommen. Es kann nicht sein. Die ZInshöhe für einen Staatskredit muss daran bemessen werden, wie er wirtschaftet. Wer einen schlechten Ruf hat, muss mehr Zinsen zahlen, das ist ja bei Unternehmen nicht anders.

Aber warum ist Deutschland immer so dick dabei?

Gutting: Man muss ja nun eins zugeben: Deutschland und Frankreich waren es, die 2003 erstmals die Maastricht-Kriterien außer Kraft setzten und sich über die dort vereinbarten Ziele hinweggesetzt haben. Was soll man anderen Ländern sagen, wenn sich schon die Musterschüler nicht dran halten. Gerhard Stratthaus hat recht: Uns bewegen die Bürgschaften sehr und man muss damit rechnen, dass die Bürgen zur Kasse gebeten werden. Im Privatrecht sagt man ja: Wer bürgt, wird gewürgt. Und mein Problem ist auch, dass man mit zehn verschiedenen Experten reden kann und jeder etwas anderes sagt. Deshalb ist es richtig, wenn wir jetzt den Märkten das Signal geben, dass wir den Euro nicht aufgeben und ihn stabil halten wollen.

Müsste Europa nicht mit Mehrheitsentscheidungen regiert werden?

Gutting: Die Suche nach der Einstimmigkeit in Europa ist schwierig und macht vieles schwer.

Stratthaus: Weil man nicht in der Lage ist, eine gemeinsame Politik zu machen, hat man sich ja auf die Maastricht-Kriterien geeinigt. Aber man muss dann halt diese Ziele einhalten und deren Einhaltung streng überwachen.

Und was halten Sie von der Diskussion um Steuerentlastungen? Eine Umfrage hatte ja ergeben, dass nicht mal die Mehrheit der FDP-Wähler das derzeit will.

Gutting: Für Steuervereinfachungen bin ich jederzeit zu haben. Aber wenn Sie nach Entlastung fragen, dann ist in meinen Augen die Haushaltskonsolidierung wichtiger und für mich das höchste Ziel. Wenn dann durch eine weiterhin florirende Wirtschaft mehr in die Kasse kommt, als wir dafür brauchen, dann sollten wir schauen, dass wir bei der kalten Progression Entlastung hinkriegen. Denn durch Inflation und Lohnerhöhungen rutschen Leute in hohe Besteuerungsklassen, die dort eigentlich nicht hingehören. Das Steuervereinfachungsgesetz wird ja derzeit im Bundesrat blockiert. Durch die Mehrheitsverhältnisse dort wird sich in diese Richtung wohl in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode nicht viel bewegen. Ein Ansatzpunkt wäre ja auch die Frage der energetischen Sanierung für Gebäude, die wir fördern wollen. Das hilft Hausbesitzern und Häuslebauern und fördert gleichzeitig die Wirtschaft im Bereich Handwerk stark.

Wie beurteilen Sie denn die CDU-FDP-Bundesregierung? Der Alltag sieht doch anders aus, als das, was man sich erhofft hatte, oder?

Gutting: Wenn man mit älteren Kollegen spricht, dann wundern die sich viel weniger über die FDP als wir jüngeren. Es gibt halt Themen, da ist es unheimlich schwierig, zusammenzukommen, beispielsweise bei der Inneren Sicherheit. Aber ich glaube, dass es wichtig ist, dem kleineren Partner auch mal einen Punkt zu gönnen.

Stratthaus: Wobei sich ja bei der FDP auch schon einiges fundamental verändert hat. Denkt mal daran, dass bis vor kurzem alles privatisiert werden sollte. Heute ist die Bundesrepublik an Banken und Energieversorgern beteiligt ...

Und wie steht es um Baden-Württemberg unter Grün-Rot?

Stratthaus: Die Regierung sucht noch nach ihrer Linie. Man wird noch einen schlimmen Realitätsschock erleiden, da bin ich sicher. Finanzminister Nils Schmid weiß es eigentlich besser. Ich halte viel von ihm und glaube, dass er an das, was er derzeit verkündet, selbst nicht glaubt. Ministerpräsident Kretschmann steht ja schon fast vor der Heiligsprechung. Ich würde ihn ja fast als einen Freund bezeichnen und bin gespannt, wie er es auf die Reihe bekommen wird. Vor allem das Thema Stuttgart 21 ist und bleibt ja ein großer Streitpunkt in der Regierung.

Gutting: Der jetzigen Finanzpolitik in Baden-Württemberg fehlt jedenfalls die Nachhaltigkeit. Ich bin gespannt, wie viele neue Stellen noch geschaffen werden sollen. Ich hab' ja gerne mal den Scherz gemacht: SPD und Grüne können nicht regieren und die CDU kann keine Opposition.

Was würden Sie einem Menschen raten, der heute einen fünfstelligen Betrag auf dem Konto hat und überlegt, wie er es anlegen soll?

Stratthaus: Wenn er ein Haus hat, sollte er es renovieren auch im Blick auf Energieeffizienz. Wenn er keins hat, sollte er darüber nachdenken, ob er sich nicht was Eigenes anschaffen will.

Gutting: Bei den niedrigen Zinsen sollte man in Sachwerte investieren. Davon profitieren auch Wirtschaft und Kommunen, so dass es allen zugute kommt.

Und wohin geht's in Urlaub?

Gutting: Ich bin froh, dass ich jetzt Zeit mit meiner kleinen, drei Monate alten Tochter verbringen kann. Es ist wunderbar. Und vielleicht fliegen wir noch eine paar Tage nach Mallorca.

Stratthaus: Wir fahren ein paar Tage in die Toskana und danach noch zum Wandern in die Schweiz. Dann geht's wieder an die Arbeit. Der bulgarische Bankenverband hat mich zu Vorträgen in die Hauptstadt Sofia eingeladen.

Text: © Jürgen Gruler / Schwetzinger Zeitung
Foto Gutting: © Busse / Foto Stratthaus: © Büro Minister a.D. Gerhard Stratthaus