Flüchtlingsschicksal bewegt Abgeordnete

Bundestag gedenkt der Opfer von Schlepperbanden

Nach Meldungen des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen sind in der Nacht zum Sonntag bis zu 800 Menschen vor der Küste Italiens in Seenot geraten und bei der Flucht aus Libyen im Mittelmeer ertrunken. Mit einer Schweigeminute hat der Deutsche Bundestag an diesem Mittwoch dieser Flüchtlinge gedacht. In einer kurzfristig anberaumten Debatte zeigten sich Redner aller Fraktionen erschüttert über die Flüchtlingskatastrophe. „Migration darf keine Frage von Leben und Tod werden“, mahnte Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Der CDU-Politiker sprach sich für eine verbesserte Seenotrettung, für die konsequente Bekämpfung der Schleuserkriminalität und für eine Stabilisierung der Herkunftsländer aus. Die Flüchtlinge, die in Europa ankommen, müssten fair und geordnet auf die EU-Mitgliedsländer verteilt werden, forderte er. Immer häufiger versuchen Menschen aus afrikanischen Ländern, meist von Libyen aus, in seeuntauglichen Booten übers Mittelmeer nach Europa zu fliehen. Dabei werden sie oft Opfer von Schleusern, die mit dem Menschenhandel ein Milliardengeschäft betreiben, sich um die Sicherheit der Flüchtlinge allerdings nicht scheren.

Die Katastrophe vom Wochenende war der Höhepunkt einer Entwicklung, die sich seit Jahren abzeichnet. Die Europäische Union berät am Donnerstag auf einem Krisengipfel über geeignete Maßnahmen, um auf die Situation zu reagieren. Die EU-Außenminister hatten bereits am Montag einen Zehn-Punkte-Plan vorgelegt. „Es gibt keine einfachen Antworten, es gibt keine schnellen Lösungen“, betonte de Maizière im Plenum des Deutschen Bundestages mit Blick auf den Plan.

An erster Stelle stehe die Verbesserung der Seenotrettung. Bislang stehe eine Verdopplung der Mittel zur Debatte, aber vielleicht sei auch eine Verdreifachung nötig. Er stellte auch Hilfe für die Staaten in Aussicht, an deren Küsten die Flüchtlinge landen, vor allem Italien und Griechenland. Was die Schleuserbanden angeht, so geht es dem Minister zufolge darum, deren Infrastruktur zu schädigen, damit sie nicht immer wieder aufs Neue Menschen in Gefahr bringen könnten.

Auch die Vorsitzende der AG Menschenrechte der Unionsfraktion, Erika Steinbach, forderte, den „skrupellosen Schleppern, denen Menschenleben gar nichts bedeuten, das Handwerk zu legen“. Die CDU-Politikerin Andrea Lindholz wies darauf hin, dass Menschenschmuggel inzwischen eine der lukrativsten Einnahmequellen der organisierten Kriminalität ist. Als wichtigen Punkt nannten die Redner der Unionsfraktion auch die Stabilisierung der afrikanischen Herkunftsländer. Denn diese könnten kein Interesse daran haben, dass ihnen die Mittelschicht weglaufe. Man müsse das Problem an der Wurzel packen, sagte Erika Steinbach. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Hans-Peter Friedrich betonte: „Es muss nach Afrika die klare Botschaft ausgesendet werden, dass diese Menschen nicht alle in Europa unterkommen können“. Gerade die Stärksten und gut Ausgebildeten würden in ihren Ländern gebraucht.

Zu einem europäischen Gesamt-konzept gehört den Unionspolitikern zufolge eine gerechte Aufteilung der Flüchtlinge in Europa. Es könne nicht angehen, dass von 28 EU-Staaten nur zehn tatsächlich Asylsuchende aufnehmen. Friedrich forderte die EU auf, eine europäische Flüchtlingskonferenz einzuberufen. Europa müsse in seiner Gesamtheit Verantwortung übernehmen.

Erika Steinbach, die Vorsitzende der Arbeitsgruppe Menschenrechte und humanitäre Hilfe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion warnte davor, die Grenzen Europas für die Flüchtlinge komplett zu öffnen. Das würde die EU-Staaten überfordern. Die Akzeptanz bei den Bürgern würde schwinden, befürchtet sie. „Die neue Flüchtlingstragödie im Mittelmeer macht deutlich, dass dringend neue Lösungsansätze gefunden werden müssen. Wir brauchen nicht nur eine gemeinsame europäische Strategie, sondern auch eine bessere Verzahnung der Außen-, Innen- und Entwicklungspolitik in und zwischen den EU-Mitgliedstaaten ebenso wie mit den Herkunfts- und Transitstaaten. Hier sind auch die Länder der Afrikanischen Union und die wohlhabenden Golfstaaten gefordert, sich deutlich stärker als bisher zu engagieren.“

Den Vorschlag von Bundesentwicklungsminister Gerd Müller, ein EU-Sofortprogramm für die Finanzierung eines Wirtschafts- und Stabilisierungsprogramms in den Fluchtländern ins Leben zu rufen, bezeichnete Steinbach als einen wichtigen Ansatz, „um Fluchtursachen zu minimieren.“