„Blicken Sie da noch durch, Herr Gutting?“

Olav Gutting MdB seit 10 Jahren Mitglied des Deutschen Bundestages / Interview mit den Badischen Neuesten Nachrichten / Der Bundestagsabgeordnete über Euro-Krise, kommunale Sorgen und die Situation der CDU

Foto: Olav Gutting MdB in seinem Berliner Büro

Im Herbst 2002 trat Olav Gutting die Nachfolge des langjährigen Wahlkreisabgeordneten Klaus Bühler im Deutschen Bundestag an. Inzwischen ist Gutting selbst bereits ein Jahrzehnt für die Region im Berliner Parlament. Im Interview mit BNN-Redakteur Daniel Streib spricht der CDU-Politiker über Erfolge, Niederlagen und politische Herausforderungen.

Zehn Jahre im Bundestag: Auf was sind Sie besonders stolz?

Gutting: Stolz ist vielleicht der falsche Ausdruck, aber ich bin froh, dass wir es geschafft haben, die Schuldenbremse im Grundgesetz zu verankern. Und dass wir in den letzten Jahren die Weichen so gestellt haben, dass heute in meinem Wahlkreis fast Vollbeschäftigung herrscht, ist ja auch kein ganz schlechtes Ergebnis.

Welche konkreten Erfolge für den Wahlkreis können Sie vorweisen?

Gutting:
Als Bundestagsabgeordneter ist man eher für das Große und Ganze verantwortlich, aber natürlich kämpfe ich immer auch für meinen Wahlkreis. Ein Erfolg war sicherlich, dass es gelungen ist beim Pakt für Stabilität und Wachstum weit über elf Millionen Euro Bundesmittel in den Wahlkreis zu lotsen. Neben vielen kleinen Hilfestellungen für Bürgerinnen und Bürger konnten in den letzten Jahren auch einige Straßenverkehrsprojekte und Lärmschutzmaßnahmen bei der Bahn verwirklicht werden. Und der Erhalt des Bundeswehrstandortes Bruchsal war sicherlich auch die Mühen wert.

Was haben Sie noch nicht erreicht?

Gutting: Politik ist das Bohren dicker Bretter. Da gibt es also noch eine ganze Reihe Baustellen. Ein Dauerbrenner sind unter anderem die Vereinfachung im Steuerrecht und weiterer Bürokratieabbau. Die hiesigen Kommunen stöhnen unter der finanziellen Last durch Vorgaben des Bundes wie bei der U-3-Betreuung.

Wie kommunalfreundlich ist die von Ihrer Partei geführte Bundesregierung?

Gutting: Erst vor wenigen Tagen haben wir in Berlin die größte finanzielle Entlastung der Kommunen in der Geschichte der Bundesrepublik beschlossen. Durch die Neuregelung bei der Grundsicherung sparen die Kommunen bis 2020 über 50 Milliarden Euro. Für die CDU war die Kommunalpolitik schon immer Herzstück der politischen Arbeit und für den Kita-Ausbau haben wir gerade auch nochmal zusätzliche 580 Millionen lockergemacht.

Auch als Mitglied im Finanzausschuss müssen Sie sich mit der hochkomplexen Euro-Krise beschäftigen. Hand aufs Herz: Blicken Sie da noch durch?

Gutting: Zugegeben, die Summen über die wir beraten, machen manchmal schwindelig. Und bei EFSF, ESM, EZB, Fiskalpakt und Bankenunion muss man oft zweimal nachfragen, um hinter die jeweiligen Mechanismen zu steigen.

Viele Menschen halten die Politiker für überfordert. Wie zerstreuen Sie diesen Eindruck?

Gutting: Ohne Arbeitsteilung geht es in Berlin schon lange nicht mehr. Wir spezialisieren in den Ausschüssen und wenn beispielsweise ein Kollege aus dem Kulturausschuss nicht jede einzelne Nuance bei der Euro-Rettung kennt, ist er deswegen noch nicht überfordert.

Nebentätigkeiten von Abgeordneten sind derzeit ein heißes Thema. Was verdienen Sie so nebenbei?

Gutting: Mir war es immer wichtig, neben dem Bundestags-Mandat meinen erlernten Beruf als Rechtsanwalt zu erhalten. Das gibt mir politisch die notwendige Unabhängigkeit und Praxisnähe. Der Verdienst ist entsprechend den gesetzlichen Vorgaben veröffentlicht. Ein reines Beamtenparlament würde ich für einen Rückschritt halten.

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat nach Kritik aus der Union seine Einkünfte offengelegt. Verraten Sie uns, was Sie als Aufsichtsratsvorsitzender der Wirsol AG bekommen?

Gutting: Hat er ja nicht. Aber das ist auch seine Sache. Meine Einkommen sind bereits nach den bestehenden Vorgaben veröffentlicht.

Ihr Fraktionskollege Ingo Wellenreuther will Oberbürgermeister von Karlsruhe werden. Wie schätzen Sie seine Chancen ein?

Gutting: Es ist ein offenes Rennen. Ingo rackert sich seit vielen Jahren für Karlsruhe ab und kennt die Stadt wie kein zweiter. Ich hoffe, die Wähler schenken ihm ihr Vertrauen.

Selbst CDU-Politiker sehen nach der verlorenen OB-Wahl in Stuttgart ein Partei-Problem. Kann die CDU im Südwesten überhaupt noch Großstadt?

Gutting: Das müssen wir ändern. Ich glaube die Union ist eine sehr moderne Volkspartei. Nur hat das eben noch nicht jeder begriffen.

In Bruchsal zog vor drei Jahren Cornelia Petzold-Schick als parteilose OB-Kandidatin an den CDU-Bewerbern vorbei. Wie gut klappt die Zusammenarbeit?

Gutting: In meinem Wahlkreis pflege ich grundsätzlich mit allen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Im Mittelpunkt steht dabei immer das Beste für die Menschen und nicht so sehr das Parteibuch.

Aktuelle Umfragen sehen im Bund eine rechnerische Mehrheit für Schwarz-Grün. Für Sie eine ernsthafte Option?

Gutting: Derzeit sehe ich die jedenfalls nicht. Aber wenn die Grünen ihre „Dagegenpolitik“ aufgeben und den Versuch der Gängelung und Bevormundung der Menschen aufgeben, sollte sich unter Demokraten eigentlich immer eine Schnittmenge finden lassen.

Im Herbst 2013 wird der Deutsche Bundestag gewählt. Welche Wahlversprechen machen Sie den Menschen in der Region?

Gutting: Niemand kann heute die bestimmenden Wahlkampfthemen im Herbst 2013 vorhersagen und mit politischen Versprechungen sollte man vorsichtig umgehen. Aber ich möchte weiterhin für die Menschen in der Region Ansprechpartner bleiben und den Wahlkreis mit ehrlicher Arbeit in Berlin vertreten.

Zur Person: Olav Gutting (42, CDU) vertritt als direkt gewählter Bundestagsabgeordneter den Wahlkreis Bruchsal-Schwetzingen. Als Rechtsanwalt ist er Sozius der Kanzlei Gutting in seiner Heimatgemeinde Oberhausen-Rheinhausen. Gutting ist zudem Aufsichtsratsvorsitzender der Wirsol AG in Waghäusel. Für beide Nebentätigkeiten ist er nach geltender Regelung der veröffentlichungspflichtigen Angaben jeweils mit der Höchststufe 3 (jährlich über 7 000 Euro) eingruppiert. Gutting ist verheiratet und hat ein Kind.

Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Badischen Neuesten Nachrichten