Fakten zur Pflegeversicherung

Stellungnahme und Forderungen der jüngeren Abgeordneten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion / Mitunterzeichner: Olav Gutting MdB

Die jüngeren Abgeordneten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion warnen in einer gemeinsamen Erklärung vor einer weiteren Verzögerung der Pflegereform. Sie müsse noch in dieser Legislaturperiode angegangen werden, um nicht noch mehr Zeit beim Aufbau einer Kapitalrücklage zu verlieren. Ergänzend zum Umlageverfahren, soll diese Rücklage den ”Beitragssatz für die Arbeitnehmer der kommenden 2030er, 2040er und 2050er Jahre stabilisieren und bezahlbar halten”.

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2010 waren in Deutschland rund 2,4 Millionen Menschen pflegebedürftig. Die Lebenserwartung, die um 1900 für Jungen 41 Jahre und für Mädchen 44 Jahre betrug, wird wahrscheinlich bis 2060 auf bis zu 88 Jahren für Jungen und 91 Jahre für Mädchen steigen. Das Risiko der Pflegebedürftigkeit liegt vor dem 60. Lebensjahr bei rund 0,8 Prozent, zwischen dem 60. und dem 80. Lebensjahr bei rund 4,7 und nach dem 80. Lebensjahr bei rund 29 Prozent. Jeder Dritte über 80 wird somit pflegebedürftig. Im Jahr 2050 werden in Deutschland 5,5 Millionen Bürgerinnen und Bürger über 85 Jahren leben. Sie sind alle schon geboren. Bis 2030 wird von heute rund 2,4 Millionen Pflegebedürftigen ein Anstieg auf rund 3,4 Millionen erwartet. Berechnungen für das Jahr 2050 lassen erkennen, dass die Zahl der Pflegebedürftigen langfristig auf deutlich über 4 Millionen anwachsen werden.

Von den heutigen Pflegebedürftigen werden rund 1,5 Millionen zuhause betreut. Von diesen wiederum werden eine Million ausschließlich durch Angehörige gepflegt, die dafür ein Pflegegeld erhalten. Diese Pflege wird zu 73 Prozent von Frauen durchgeführt. Die Zahl der Kinder, die die Pflege durchführen könnten oder wollten, sinkt. Darüber hinaus sind diese Kinder durchschnittlich bereits 60 Jahre alt, wenn ihre Eltern pflegebedürftig werden. Dies wird den Trend in die stationäre Pflege eher beschleunigen.

Die soziale Pflegeversicherung ist eine Teilkaskoversicherung, das heißt, sie zahlt nur fixe Beträge, nicht die entstehenden Gesamtkosten. Die durchschnittlichen Pflegeheimkosten liegen bei 3.300,- Euro, der maximale Betrag, den die Pflegeversicherung übernimmt bei 1.510,- Euro (durchschnittlich übernimmt sie über alle Pflegestufen 1.271,- EUR (ohne Härtefälle)), somit verbleibt bereits heute mindestens ein Eigenbeitrag von 1.790,- Euro im Monat. In den meisten Fällen ist es deutlich mehr.

Die Träger der Sozialhilfe tragen (2008) diesen Eigenanteil für 291.000 Menschen mit einer Gesamtsumme von 2,1 Mrd EUR - Tendenz Jahr für Jahr steigend. Hochgerechnet auf eine durchschnittliche Pflegebedürftigkeit von 4 – 5 Jahren ergibt sich ein Volumen für die Eigenbeteiligung in der Pflegestufe III von mindestens 86.000 – 107.000 Euro. Ohne Leistungsdynamisierung verringert sich der Wert der heutigen Pflegeleistungen bis zum Jahr 2060 auf nur noch rund 50 Prozent des Leistungsniveaus (bei einem unterstellten realen Wachstum von 1,5 Prozent p. a.). Der Eigenanteil müsste entsprechend steigen.

Der Beitragssatz zur Pflegeversicherung liegt heute bei 1,95 %, für Kinderlose 2,2 %. Experten rechnen für 2030 mit einem Pflegebeitrag von rd. 3 % (Quelle WIP) und im schlechtesten Fall bis 2050 mit bis zu 7% (Quelle: Dt. Bank).

Generationengerechte Lösung

All diese Zahlen machen deutlich: Die Sicherung der Pflege alter Menschen ist die gesellschaftspolitische Zukunftsfrage. Und sie stellt uns auch finanziell vor große Herausforderungen. Diesen Herausforderungen muss sich die christlich-liberale Koalition ehrlich stellen. Es ist eine simple Wahrheit, dass die Sicherung des erreichten Niveaus der Pflegeversicherung, der steigende Anteil Hochbetagter in der Bevölkerung und die geplanten Verbesserungen bei Demenz zusätzlich Geld kosten werden.

Die Konsequenz ist so simpel wie klar: Pflege wird teurer. Wichtig ist es, eine ausgewogene Balance zwischen nötigem Finanzbedarf und einer nicht übermäßigen Mehrbelastung der Versicherten zu finden. Wir dürfen dabei aber unseren Blick nicht allein auf die gegenwärtige Situation richten, sondern müssen angesichts der steigenden finanziellen Last und der sinkenden Zahl von Beitragszahlern auch für kommende Generationen Vorsorge schaffen. Denn die Pflegeversicherung muss auf lange Sicht leistungsfähig bleiben.

Ziel muss es daher sein, insbesondere für den Zeitraum vorzusorgen, in dem die "Babyboomer"-Generationen der 50er und 60er-Jahre in das typische Pflegealter kommen. Denn dann müssen insgesamt hohe Leistungsansprüchen von weniger jüngeren Menschen finanziert werden. Dies wird ab 2030 und bis mindestens 2055 der Fall sein. Für diesen Zeitraum müssen wir jetzt beginnen, eine Rücklage zu schaffen, um den Beitragssatz für die Arbeitnehmer der kommenden 2030er, 2040er und 2050er-Jahre zu stabilisieren und bezahlbar zu halten.

Und es ist wichtig, dass wir jetzt, in dieser Legislatur beginnen, diese Rücklage zu schaffen. Es wurden durch mehrere verpasste Chancen zur Einführung einer Kapitalrücklage in der Pflege seit 1994 schon viel zu viele Jahre vergeudet, das Zeitfenster zum sinnvollen Start in eine solche Kapitalrücklage schließt sich mit jedem Tag, den wir zögern. Bei der Ausgestaltung dieser Rücklage ist es zwingend erforderlich, dass sie vor einem zweckentfremdenden Zugriff geschützt ist und ihre Finanzierung niemanden überfordert.

Uns Jüngeren in der Unionsfraktion wird seit vielen Jahren versprochen, dass wir endlich mit der Bildung von Kapitalrücklagen in den sozialen Sicherungssystemen beginnen, zuletzt im Koalitionsvertrag der Großen Koalition. Leider ist bisher nichts passiert.

Wir fordern bei der anstehenden Pflegereform eine Ergänzung des bestehenden Umlageverfahrens um eine Kapitalrücklage. Wer, wenn nicht die christlich-liberale Koalition soll die Kraft zu dieser Entscheidung haben? Alles andere wäre gegenwartsbezogen und zukunftsvergessen.

Unterzeichner: Peter Aumer MdB, Dorothee Bär MdB, Thomas Bareiß MdB, Steffen Bilger MdB, Reinhard Brandl MdB, Olav Gutting MdB, Florian Hahn MdB, Christian Hirte MdB, Michael Kretschmer MdB, Dr. Günter Krings MdB, Carsten Linnemann MdB, Dr. Jan-Marco Luczak MdB, Daniela Ludwig MdB, Philipp Mißfelder MdB, Stefan Müller MdB, Nadine Schön MdB, Tankred Schipanski MdB, Thomas Silberhorn MdB, Jens Spahn MdB, Stephan Stracke MdB, Peter Tauber MdB, Marco Wanderwitz MdB.

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