Abbau gleichheitswidriger Benachteiligungen im Steuerrecht von Lebenspartnern und Ehegatten

Rede von Olav Gutting MdB im Deutschen Bundestag zum Jahressteuergesetz 2010

 

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Jahressteuergesetz 2010 hat es, insbesondere was den Umfang anbelangt, mal wieder in sich. Im letzten Jahr gab es kein Jahressteuergesetz. So hatten wir in diesem Jahr zusammen mit den Empfehlungen des Bundesrats über 200 Maßnahmen zu beraten. In diesem Zusammenhang darf ich mich zunächst bedanken bei allen Mitberichterstatterinnen und Mitberichterstattern in den Fraktionen und vor allem auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des BMF. Herr Minister, seien Sie so gut und richten Sie es ihnen aus. Es waren immer zielorientierte Gespräche, und es war eine gute Zusammenarbeit. Dadurch ist es gelungen, das Jahressteuergesetz in diesem Jahr über einen Monat früher abzuschließen als in den vergangenen Jahren. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das ist gut so; denn das bedeutet eine Erleichterung für die Praxis. So können die notwendigen Änderungen, die ja in der Regel zum 1. Januar des jeweils nächsten Jahres in Kraft treten, bereits heute in die Praxis einfließen, und es ist nicht so wie in den letzten Jahren, dass immer kurz vor Weihnachten die große Hektik und Betriebsamkeit ausbricht. Auch wenn es ganz überwiegend lediglich steuertechnische Anpassungen aus Gerichtsurteilen, EU-rechtlichen Vorgaben oder aus Anregungen von der Verwaltung waren, enthält das Jahressteuergesetz 2010 doch eine Reihe von erwähnenswerten Punkten, welche ich hier kurz ansprechen möchte.

Bei der Absetzbarkeit der Kosten für das häusliche Arbeitszimmer haben wir die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt. Nunmehr können Arbeitnehmer wieder einen Werbungskostenabzug in Höhe von bis zu 1 250 Euro jährlich für ein häusliches Arbeitszimmer vornehmen, sofern – das ist wichtig, und das halte ich auch für richtig – kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Die Neuregelung gilt auch rückwirkend für alle noch offenen Fälle ab dem Veranlagungszeitraum 2007. Wir erreichen hier für die betroffenen Menschen eine jährliche Entlastung von rund 250 Millionen Euro. Ganz bewusst haben wir bei den nicht privatrechtlich organisierten Banken, also bei den Sparkassen und Volksbanken, sowie bei den Versicherungen die umsatzsteuerliche Behandlung der Auslagerung von Finanzdienstleistungen durch dieses Jahressteuergesetz nicht berührt. Das sichert Arbeitsplätze gerade im ländlichen Raum.

Als Abgeordneter des Spargelwahlkreises Bruchsal-Schwetzingen (Ulrich Kelber [SPD]: Spargel gibt es auch woanders, junger Mann! Sogar besseren!) will ich eine weitere sehr positive Maßnahme hervorheben. Mit dem Jahressteuergesetz 2010 haben wir die zu Recht vielfach kritisierte Steuerpflicht für viele Saisonarbeitskräfte abgeschafft. Bislang zwang diese Regelung 300 000 Saisonarbeitskräfte, davon allein 200 000 in der Landwirtschaft beschäftigte, eine Steuererklärung abzugeben, obwohl in der Regel absehbar war, dass keine Steuerlast entsteht; seit 2009 war das so. In der Praxis lief es oft so ab, dass nicht die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine Steuererklärung abgegeben haben, sondern zum Beispiel die Obst- und Spargelbauern damit belastet waren. Das ist auch nicht verwunderlich. Eine Steuererklärung ist schon für einen Muttersprachler eine schwierige Angelegenheit. Wenn jemand aber aus Polen, Kroatien, Rumänien oder Bulgarien kommt und der deutschen Sprache nicht hundertprozentig mächtig ist, dann ist es gar ein Ding der Unmöglichkeit, eine Einkommensteuererklärung auszufüllen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Praxis sah so aus, dass der Bauer oder gleich ein Steuerberater einspringen musste. Die damit einhergehenden Kosten, die Bürokratiekosten, blieben natürlich beim Landwirt hängen, obwohl der Steuerbescheid, was von vornherein völlig klar war, regelmäßig eine Steuerlast von 0 Euro ausgewiesen hat. Wir sorgen mit dieser Maßnahme nicht nur für eine Entlastung der saisonal Beschäftigten, sondern gleichermaßen auch für eine Entlastung der Arbeitgeber und der Finanzverwaltungen. Bürokratieabbau konnten wir auch bei der Informationspflicht im Zusammenhang mit ELStAM erzielen. Die Information der Arbeitnehmer über die gebildeten elektronisch gespeicherten Lohnsteuerabzugsmerkmale wird nunmehr von der Finanzverwaltung übernommen, wodurch aufseiten der Arbeitgeber Bürokratiekosten von nahezu 100 Millionen Euro eingespart werden. Besonders hervorzuheben ist, dass wir im vorliegenden Gesetzentwurf für den im Koalitionsvertrag vorgesehenen Abbau gleichheitswidriger Benachteiligungen im Steuerrecht von Lebenspartnern und Ehegatten gesorgt haben, und zwar im Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz sowie im Grunderwerbsteuergesetz.

Im Hinblick auf die von der Opposition geforderten Angleichungen im gesamten Einkommensteuerrecht plädieren wir allerdings dafür, zunächst die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes abzuwarten, statt einen Schnellschuss zu wagen. (Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat längst entschieden! – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, eben! Die gibt es doch schon! – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was glauben Sie denn, wie das ausgeht?) Das Füreinander-Einstehen in einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft erkenne ich an. Das Füreinander-Einstehen ist auch steuerlich entsprechend zu privilegieren; das ist begründbar.

Ich will aber auch sagen: Eine absolute Gleichstellung der Ehe als im Grundgesetz verankerte Keimzelle der Gesellschaft auf der einen Seite (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt viele Keimzellen!) und der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft auf der anderen Seite entspricht nicht meiner Auffassung vom Schutz der Ehe, die ich als Familie verstehe. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es können daher nach meiner Meinung nicht sämtliche Rechtsvorschriften, die für Ehe und Familie gelten, eins zu eins auf Eingetragene Lebenspartnerschaften übertragen werden. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Insgesamt haben wir mit dem vorliegenden Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2010 einen guten Gesetzentwurf vorgelegt. Wir entlasten die Menschen in diesem Jahr um knapp 1 Milliarde Euro, und wir entbürokratisieren. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Möchten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Beck zulassen? Olav Gutting (CDU/CSU): Ich bin gleich fertig. Das muss jetzt nicht mehr sein. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Zum Schluss noch ein paar Sätze zum Gesetzentwurf der Linken zur Abschaffung des Progressionsvorbehalts beim Kurzarbeitergeld. Es handelt sich um einen Gesetzentwurf, den Sie schon mehrmals vorgelegt haben. (Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Das mussten wir doch! Wir konnten Sie ja bisher leider nicht überzeugen!) Er wird aber nicht richtiger, nur weil Sie ihn häufig einbringen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Durch den Progressionsvorbehalt wird die Besteuerung nach Leistungsfähigkeit sichergestellt. Anders formuliert: Wer mehr hat, muss mehr Steuern zahlen; so einfach ist das. Würden wir Ihren Gesetzentwurf verabschieden, würden wir diesen Grundsatz auf den Kopf stellen. Deswegen werden wir ihn ablehnen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

(Zweite und dritte Beratung Bundesregierung Jahressteuergesetz 2010 (JStG 2010) - Drs 17/2249, 17/2823 / Zweite und dritte Beratung DIE LINKE. Abschaffung des Progressionsvorbehalts für Kurzarbeitergeld - Drs 17/255, 17/3449, 17/3466 - ZP.6) Erste Beratung BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Gleichstellung der Lebenspartnerschaften mit der Ehe im Bereich des Steuerrechts - Drs 17/3218 -)